Die Camphill-Bewegung

Karl König und Camphill

Die internationale Camphill-Bewegung arbeitet vorwiegend mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die auf Grund von unterschiedlichen Behinderungen besonderer Betreuung bedürfen.

Die Arbeit der Camphill-Bewegung fußt auf den Ideen der Anthroposophie, ihre heilpädagogischen Initiativen entsprechend auch auf der Waldorfpädagogik. Die erste heilpädagogische Camphill-Einrichtung wurde am 1. Juni 1940 von dem Wiener Kinderarzt Dr. Karl König (1902 – 1966) und einer kleinen Gruppe von Medizinstudenten und jungen Künstlern in Schottland gegründet: Auf dem Anwesen Camphill-House bei Aberdeen in Schottland. Ein Jahr zuvor mussten sie aus Nazi-Deutschland/Österreich fliehen und begannen mit ihrer Arbeit im Mai 1939 in Kirkton, Schottland. Daraus erwuchs die Camphill – Bewegung, mittlerweile gibt es weltweit über 100 Camphill-Gemeinschaften und viele mehr, die auf ähnliche Weise arbeiten.

Seit 1958 gibt es in Deutschland Camphill-Schulen und -Dorfgemeinschaften, in denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ihren Betreuer*innen zusammen leben, lernen und arbeiten. Die ersten Jahre der Gemeinschaften am Bodensee gestaltete Karl König aktiv mit bis zu seinem Tod.

Siehe auch Biografie Karl König.

Portrait von karl König. Er stützt seinen Kopf mit der rechten Hand.

Grundlegendes

Das Leben in Camphill hat sich aus der Grundidee entwickelt, dass alle Menschen, ob mit oder ohne behinderungsbedingten Einschränkungen, vollwertige Persönlichkeiten sind und ein Recht auf ein ausgefülltes und sinnvolles Leben in Freiheit und Würde haben.

Camphill hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Ideen im täglichen Leben zu verwirklichen. Es wird versucht, Lebensumstände zu schaffen, in denen insbesondere die begleiteten Menschen lernen können, ihr Schicksal anzunehmen und mit ihren Behinderungen so zu leben, dass diese den eigenen Lebensplanungen und –impulsen nicht im Wege stehen, sondern dienen. Sie sollen die Möglichkeit haben, Fähigkeiten zu entdecken, zu entwickeln und einzubringen. Daher bietet Camphill den Menschen mit Assistenzbedarf besondere Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsstätten und Plätze zum Leben an. Als soziale Basis wird ein Umfeld geschaffen, in dem man sich freundschaftlich und mit Achtung begegnet. Jeder Einzelne wird in seiner unverwechselbaren Persönlichkeit respektiert. In einer solchen Begegnungsqualität wird Behinderung unrelevant. So wird Raum gegeben für Gemeinschaftsbildung zwischen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen,

Die meisten älteren Camphill-Plätze haben einen dörflichen Charakter. In zunehmendem Maße gibt es nun auch Stadtgemeinschaften. Es besteht in der Regel die Möglichkeit des Zusammenlebens in Hausgemeinschaften. Daneben bilden sich aber auch weitere Wohnformen heraus. Die anfallenden Aufgaben werden untereinander verteilt und Mahlzeiten – soweit möglich – zusammen eingenommen.

Man bemüht sich um einen Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus, der den jeweiligen Menschen Orientierung und Halt gibt und den Entwicklungsintentionen der Gemeinschaft dient. Auch die kreative Ausgestaltung des Kulturlebens sowie das Vorbereiten und Feiern der Jahresfeste haben dabei eine wichtige Bedeutung.

Camphill-Gemeinschaften haben eine ähnliche Grundstruktur, sind aber ganz individuell gestaltet, abhängig von den regionalen und kulturellen Gegebenheiten, den Bedürfnissen der jeweiligen Bewohner*innen und auch davon, ob es sich mehr um Kinder, Jungendliche oder Erwachsene handelt.

Kinder und Schulen

Die Kinder werden in den heilpädagogischen Förderschulen – als Tagesschule oder Internat – unterrichtet und betreut. Teils gibt es auch Frühförderung in Kindergärten. Neben dem Unterricht lernen die Kinder praktische Fähigkeiten zu entwickeln. Dies geschieht in Trainingswerkstätten, im Garten oder beim Umgang mit Tieren. Die meisten Camphill-Schulen haben ein großes therapeutisches Angebot. Beispiele sind Bewegungs- und Reittherapie, Musik-, Mal- und Sprachtherapie und Heileurythmie.

Besonders kleine Kinder brauchen viel Geduld und Liebe. Aufgabe der Betreuer*innen ist es, ihnen Schritt für Schritt die alltäglichen Dinge beizubringen, angefangen bei den richtigen Verhaltensweisen bei den Mahlzeiten bis zum Erlernen hygienischer Maßnahmen. Auch die kleinsten Erfolge sind eine große Freude, für das Kind und die Betreuer*innen in gleichem Maße. Kreativität, Einfühlungsvermögen und die Freude an pädagogischen Tätigkeiten sind Fähigkeiten, die in der Arbeit mit Kindern ausgesprochen hilfreich sind. Ältere Kinder brauchen eine*n Betreuer*in, der/die ihnen durch die eigene Persönlichkeit zum Vorbild werden kann. Dies setzt körperliche sowie psychische Stabilität des/der Betreuer*in voraus.

Jugendliche

Nach der Schule können die Jugendlichen ein für ihre Altersstufe abgestimmtes Ausbildungsprogramm, häufig Werkstufe genannt, wahrnehmen. Hier steht neben der schulischen Weiterbildung vor allem das Erlernen praktischer Fähigkeiten in den verschiedenen Ausbildungswerkstätten und auch im Land- bzw. Gartenbau im Vordergrund. Das Hauptaugenmerk liegt nicht in der Produktivität der einzelnen Werkstätten. Vielmehr sollen die Jugendlichen durch die Arbeit ihre eigenen Möglichkeiten und Interessen entdecken, sich aber auch ihrer eigenen Grenzen bewusst werden. Die Betreuer*innen helfen ihnen, ihren eigenen Weg in das Erwachsenenleben und damit in die ihnen mögliche Selbständigkeit zu finden.

Erwachsene

Die begleiteten Erwachsenen leben in den Camphill-Dorf- oder Stadtgemeinschaften. Dort bildet die soziale Gemeinschaft die Grundlage für die Ausgestaltung eines sinnerfüllten, abwechslungsreichen Berufslebens mit oft breit gefächertem Arbeitsangebot in Produktions- oder Dienstleistungswerkstätten. Am häufigsten gibt es: Bäckerei/Konditorei, Weberei, Schreinerei, Töpferei, Kerzen- und Papierwerkstätten. Viele der hergestellten Produkte werden zum Verkauf angeboten. Der Gewinn kommt der ganzen Gemeinschaft zu gute. Meistens gehören zu den Dorfgemeinschaften auch landwirtschaftliche Flächen, auf denen Ackerbau, Viehwirtschaft oder eine Gärtnerei betrieben wird, zum Teil mit angegliederter Nahrungsmittelveredelung für den Eigenbedarf und den öffentlichen Markt. Ergänzend werden oft landschaftspflegerische Maßnahmen im Auftrag der Kommunen durchgeführt.

In den Gemeinschaften gehört neben den beiden Bereichen Wohnen und Arbeiten als drittes wichtiges Element das kulturelle Leben. Dies beinhaltet Theater, Musik und andere künstlerische Aktivitäten sowie oft breitgefächerte Kursangebote.

Mit verschiedenen Konzepten bemühen sich die Gemeinschaften, auch den Menschen im Alter weiterhin eine Heimat zu geben und sie würdevoll bis zum Tod zu begleiten.

Die Camphill-Gemeinschaften sind bestrebt, die Ideen von Camphill mit heutigen Anforderungen zu verbinden.

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Adressen siehe unter Einrichtungen.